Kunst im öffentlichen Raum
Institut für Bildende Kunst an der Universität Marburg
ONLINE VORTRAG 19.1.2022, 18.00 Uhr
Seit den 1950er Jahren sind Interventionen und Aktionsbilder, Performances und Happenings Teil der städtischen Performance geworden. So hatte es sich, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, László Moholy-Nagy am Bauhaus vorgestellt, als er davon sprach, dass Lichtfresken, Polykinos und Wolkenprojektionen Teil des zukünftigen Stadtbildes sein würden.
Zu den Meilensteinen dieser Entwicklung gehören die großformatigen kinetischen Installationen von Nicolas Schöffer ab Ende der 1950er Jahre oder die Projekte, die Gyorgy Kepes den 1960er Jahren vorschwebten. Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) Boston gründete er 1967 das „Center for Advanced Visual Studies (CAVS)”. Seine Idee war es, großformatige Stadt- und Landschaftsinterventionen zu ermöglichen. Licht, Luft und Wasser sollten das Zusammenspiel von sinnlichen und medialen Prozessen im Wechselspiel mit der menschlichen Wahrnehmung choreografieren.
Parallel hatte sich auch die Land Art / Earth Art entwickelt, die ausgewählte geologische Habitate, geographische Besonderheiten oder ökologische Eigenarten zum Material der Kunst gemacht hatte. Die Künstler_innen wie Walther de Maria, Nancy Holt, Robert Smithson und James Turrell suchten den Dialog mit Umwelt und Gesellschaft. Zu gleichen Zeit führte Joseph Beuys den Begriff der Sozialen Skulptur ein; und Mario Merz und Jannis Kounellis entwickelten die Idee der Arte Povera, die auf die Verwendung von Materialien setzte, die als nicht-künstlerisch oder wertlos galten, weiter.
Die verschiedenen Ansätze verwebten sich zu ästhetischen Strategien, die eine Vielzahl von Ermöglichungsräumen für Kunst im öffentlichen Raum hervorbrachten, darunter die Documenta ab 1957 als Kunstprojekt der Bundesgartenschau und die Skulptur-Projekte Münster ab 1977. Statt der bis dahin üblichen „drop sculptures“ wurden jetzt ort- und kontext-spezifische Projekte entwickelt. Sie veränderten Perspektiven und Proportionen, Formen und Farben, Sinnbezüge und Symboliken. Zwischen der materiellen Dinglichkeit und der symbolischen Kraft eines Gewohnheitsraums entstanden Seh- und Denkräume, in denen sich neue Einblicke und Gestaltungsoptionen formten.
Im Kontext der Kunst des 21. Jahrhunderts sind Kunstintervention im öffentlichen Raum Teil von Diskussion- und Gestaltungsprozessen, die sich an dem Diskurs um die Zukunft von Öffentlichkeit, Gesellschaft und Lebensräumen beteiligen. Bettina Pelz skizziert im Rahmen ihres Vortrags die Entwicklungen, die das Ideengelände von Kunst im öffentlichen Raum geprägt hat. In der anschließenden Diskussion geht es um die Frage, welche Rolle Kunst im öffentlichen Raum in Marburg spielen kann und welche Positionen Kunstwissenschaft und künstlerische Praxis beziehen können.
BETTINA PELZ
Bettina Pelz ist Kuratorin mit dem Schwerpunkt Kunst-im-Kontext. Seit 1996 entwickelt sie Projekte, die sie vor allem außerhalb des White Cubes umgesetzt. Zu ihren Spielstätten gehören kulturhistorische Orte ebenso wie ökologische Habitate, post-industrielle Umgebungen und gesellschaftliche Unorte. Sie war international an Projekten in Afrika, Asien, Europa sowie in Nord- und Mittelamerika beteiligt.
Sie ist Gründungskuratorin mehrerer nachhaltiger Kunst-im-öffentlichen-Raum-Projekte, darunter LICHTROUTEN Lüdenscheid (de) seit 2002, GLOW Eindhoven (nl) von 2006 bis 209, NARRACJE Gdansk (pl) von 209 bis 2011, INTERFERENCE (tn) seit 2016 und RESPONSIVE Halifax (ca) im Jahr 2017. Im letzten Jahr kuratierte sie erstmals das LICHTSTROM Festival in Ingolstadt. In diesen Jahr entwickelt sie Kunstprojekte für den Rudolphsplatz in Marburg. Sie ist sie die künstlerische Leitung des Projektes KUNST.LABOR.STADT.PLATZ.